Donnerstag, 3. Dezember 2009

New Orleans: Untote und Vodoo


St. Louis Number One ist mehr als ein Friedhof. Die Stadt der Toten wird er genannt. Als seien sie noch am leben. Untote eben. Und ähneln die Grabkammern nicht kleinen Häusern, einige pompös und gut in Stand gehalten, andere heruntergekommen? Alleinige Faszination der Totenstadt ist, oberflächlich betrachtet, daß die Leichen in Grabkammern bestattet sind, was in den USA unüblich ist. Hier jedoch ratsam, denn New Orleans liegt unter dem Meeresspiegel. Angeblich schwammen einst Särge durch die Straßen, wenn der Mississippi mal wieder über seine Ufer getreten war. Das war nicht nur der Hygiene sondern vor allem dem Ansehen der Stadt abträglich. Die bis zu zweihundert Jahre alten Inschriften lesen sich wie ein historisches Vermächtnis: Französische Einwanderer aus Marseille oder Tours, in der Neuen Welt geborene Kreolen, ein paar Deutsche aus New York. Die wabenförmigen Grabkammern waren für Familien gedacht, die sich kein Einzelgrab leisten konnten. So liegen ganze Berufsstände im Tode vereint: Feuerwehrleute, Kriegsveteranen, Handwerker.
Ruhe bekam ein Toter nicht auf St. Louis Number One. Nach einem Jahr und einem Tag wurden die durch Hitze und Sauerstoff verrotteten Leichen mit einer Schaufel in eingebaute Zwischenräume gekippt und die nächste Leiche hielt Einzug. Nur die Inschrift blieb. Als Ort der Trauer für die Hinterbliebenen. Manche bringen Kleidung zu den Gräbern, oder die Tageszeitung und ein paar Zigarettenstummel — es soll halt an nichts fehlen im Jenseits.
Das meistbesuchte Grab, mit Votivkerzen und roten Rosen geschmückt, ist das der ehemaligen Voodoo-Priesterin Marie Laveaux — Pfeile weisen zielsicher darauf hin. Voodoo lebt in New Orleans. Eine, die es wissen muß, ist Priesterin Myriam, die einen Tempel in der Rampart Street am Rande des French Quarter unterhält. Sie beschreibt Voodoo als eine Mischform von traditionellem westafrikanischem Glauben und Katholizismus, als eine Erfindung der importierten Sklaven, die zwangsweise missioniert wurden. Im Hinterhof hält Priesterin Myriam ein paar Hühner und eine Ziege (Ziegenurin soll böse Geister fernhalten!). Im Altarraum lebt eine Python — ohne Schlange kein Ritual in New Orleans! Die Besucher, die im Hinterhof des Tempels zwischen Ziegenstall und kitschig-schaurigem Altar auf Plastikstühlen sitzen, hängen der Voodoo-Priesterin förmlich an den Lippen. “Es gibt keine Antworten, nur Anleitungen”, sagt sie. Gefragt sind Heilungs- und Hochzeitszeremonien sowie allerlei Artikel, im Verkaufsraum erhältlich: Wässerchen für Erfolg im Leben (JuJu) und Schutz vor dem Bösen (Gris Gris), parfümierte Öle “geheiligt von Priesterin Myriam” und exotische Puppen.

St. Louis Number One, Rampart Street (nähe Louis Armstrong Park). Ältester Friedhof der Stadt. Von 8 Uhr bis 15 Uhr geöffnet.
Voodoo Spiritual Temple, 828 Rampart Street, Tel. 504/522-9627. Öffnungszeiten erfragen oder eine Walking Tour mitmachen.
Historic New Orleans Walking Tours, Anmeldungen unter Tel. 504/947-2120, 15 Dollar pro Person. Führungen über die Friedhöfe und zu den Plätzen des Voodoo tgl. um 10 und 13 Uhr, sonntags nur 13 Uhr. Treffpunkt eine Viertelstunde vor Tourbeginn im Cafe Beignet, 334 Royal Street.